Ben Bär baut Brücken…

Wir sammeln beglückende Erlebnisse, der Bärenben und ich. Foto: Paul van Schie.
Wir sammeln beglückende Erlebnisse, der Bärenben und ich. Foto: Paul van Schie.

Wie wertvoll, wenn Kinder heute von Kindern damals erfahren. Die Tür zu diesem Austausch hat ein Teddybär geöffnet. Ziemlich groß, mit flauschigem, braunem Fell und einer rauen Stelle am Bauch…

Am 14. Juli habe ich zum ersten Mal hautnah erfahren dürfen, was ich mir lange erträumte: mit meiner Geschichte „Der Bär, der auf einer Mülltonne saß“, und dem von mir höchstpersönlich auf einer Mülltonne gefundenen Bärenwesen Ben, Alt und Jung gleichzeitig berühren zu dürfen. Möglich gemacht hat das Janette Bürkle, die sich vom ersten Erscheinen meines Hörbuches an, als echte Bärenfreundin erwies.

Blog „Schriftwechsel“ Janette Bürkle

Ihr haben wir es zu verdanken, dass an jenem Tag, sowohl im Stadthaus von Schorndorf, als auch im Marienstift, zwei Lesungen der ganz besonderen Art stattfinden durften. Morgens, im Stadthaus begegnen sich 11 Vorschulkinder, zwei Betreuerinnen und 13 hellwache Damen Ü 80, die dort im betreuten Wohnen leben. Der Stadthaus-Kindergarten ist im gleichen Gebäude untergebracht und doch ist dieser gemeinsame Lese-Morgen eine ganz besondere Premiere.

Morgens lesen wir im Stadthaus von Schorndorf. Foto: Janette Bürkle
Morgens lesen wir im Stadthaus von Schorndorf. Foto: Janette Bürkle

So eine Zusammenkunft sei äußerst selten, erfahre ich. Vielleicht mal in der Vorweihnachtszeit zum gemeinsamen Singen. Aber sonst lebt und bewegt man sich in der Regel separiert. Junge Menschen hier – alte Menschen dort. Ich lese. Das Kapitel, in dem Benjamin in seinem Zimmer seinen neuen Freund erst einmal einer gründlichen Wäsche unterzieht. Immer wieder höre ich sie laut lachen, die feinen, alten Damen und die Kinder glucksen wohlerzogen im etwas ungewohnten Rahmen.

Ich erzähle, wie ich den Bären gefunden habe und das ich seine Stimme in meinem Kopf ganz deutlich hören konnte. Und natürlich will ich wissen, ob ihnen das auch schon mal passiert ist. Nicht ganz genauso, aber so ähnlich. Die Kinder erzählen von ihren Kuscheltieren, von denen die meisten übrigens Teddy heißen, selbst wenn sie Hasen oder Hunde sind. Und sie staunen nicht schlecht, als sie erfahren, dass auch manche Groß- und Urgroßmütter solch vertraute Lieblingswesen hatten. Was ein Luftschutzkeller ist, wissen die meisten der Kleinen zwar nicht, aber das Frau Maja froh darüber war, ihren Plüschaffen an sich drücken zu können, wenn die Sirenen heulten, dass fühlen sie deutlich.

Auch Großmütter hegen Teddybären. Foto: Janette Bürkle
Auch Großmütter hegen Teddybären. Foto: Janette Bürkle

Zwei Bewohnerinnen eilen nach der Lesung in ihre Zimmer, um ihre eigenen Kuschelwesen zu holen und den Kindern zu zeigen. Die eine bringt einen kleinen, selbstgestrickten Bären mit einem Rucksack in dem eine Flöte steckt. Den will sie jetzt ihrer Enkeltochter schenken. Und die Flöte hat er bei sich, um die Kleine zum Spielen zu motivieren. Die andere zeigt stolz einen Plüschhund, der immer in ihrem Bett schlafen darf.

Früher sei es eher eine Ausnahme gewesen, wenn man überhaupt einen Teddy sein eigen nennen konnte. Verwunderung in den Kindergesichtern. Sie haben viele. Manchmal schon zuviele. Eine Dame erzählt, dass sie eine Puppe hatte, die ihr unermesslich wichtig war. Doch dann habe sie mit ihrer Familie fliehen müssen und die Puppe habe sie nicht mitnehmen dürfen. Noch heute träume sie manchmal nachts von ihr. Eine andere lebte auf einem Bauernhof. Spielzeug habe es da überhaupt nicht gegeben. Dafür richtige Tiere und viel Arbeit. Aber sie habe sich immer sehnsüchtig gewünscht, auch mal einen Bären oder eine Puppe für sich haben zu dürfen.

Ben Bär macht glücklich. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Foto: Saler
Ben Bär macht glücklich. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Foto: Saler

Nachmittags lesen wir im Marienstift, im vollbesetzten Aufenthaltsraum. Wieder ist eine große Gruppe eines Schorndorfer Kindergartens zu Gast und sitzt einträchtig neben jenen, die früher auch mal Kinder waren. Manch alter Mensch hier lebt längst in seiner eigenen Welt, doch angesichts von Kindern und Teddybär beginnen runzlige Gesichter zu leuchten. Als ich am Schluss unserer Lesung mit dem Bären meine Runde durch die Reihen drehe, bin auch ich ganz tief berührt. Liebevollst wird Ben umarmt und gedrückt und wie ein kostbarer Schatz von einem zur anderen gereicht. Und einen erfüllten Augenblick lang ist es gleichgültig, ob jemand 93 oder gerade mal drei Jahre alt ist. Dieser Bär, der auf einer Mülltonne saß, hat uns einander nähergebracht….